Ja, das Internet ist im Mainstream angekommen. Einer der Hauptgründe, warum ich immer mehr Menschen erlebe, die auf Distanz zum Internet gehen, ist wohl die rasant zunehmende Kommerzialisierung auch der Bereiche des Internets, die bisher den „privaten Raum“ eines Users ausmachten: Social Media wird zur Social Targetgroup.
Das „freie und ungebundene“ Leben im Internet wird mehr und mehr an die kurze Leine genommen. Foren, Blogs und Twitter (eine chronologische Reihenfolge) waren bislang die Medien, in denen sich der internet-normierte Mensch mehr oder weniger frei bewegen und die Welt nach seinen Vorstellungen gestalten konnte. Doch es kommt jetzt zunehmend zu Veränderungen, ja zu bedeutenden Umwälzungen, die jeden Internetnutzer, privat oder beruflich, dazu drängen, neue (vorgegebene) Wege zu gehen.
Das Internet wird zunehmend institutionalisiert
Das Beispiel Facebook zeigt es sehr deutlich: Hier wächst eine gigantische Werbeplattform für Firmen heran: Firmen können jetzt „Freunde“ werden. Die digitale Supermacht Facebook schafft einen Markt(platz), um den herum sich immer mehr Menschen einfinden, hunderte Millionen Menschen, die für die Wirtschaft und ihre Werbung relativ leicht zu erreichen sind. Aber auch auf der Anbieterseite hat sich einiges zum Guten verändert: Die Produkte und Services rücken in den Vordergrund, man kann zum Teil an Diskussionen teilnehmen, man bekommt als einzelner Konsument das Gefühl, dass die Marke, die dort wirbt, sich individuell auf mich einstellt (dank der Auswertungsalgorithmen von Facebook).
Aber auch bei der Entwicklung im privaten Bereich kommt es zu Veränderungen: Die Menschen reden vermehrt und immer professioneller über sachbezogene Inhalte, und das Private wird mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Auch wenn nun einige mehr Distanz zum Internet haben, so haben andere die Distanz zwischen dem realen und dem virtuellen Leben enorm reduziert.
Wir Internetnutzer sind gerade dabei die Nutzung und die Wirkungsweisen der Systeme zu verstehen: Wie kategorisiere ich die Inhalte, Daten und Kontakte in meinem beruflichen und privaten Leben? Wie schaffe ich für mich eine Datenwirtschaft, die die Nutzbarkeit meiner Daten für mich und für andere in den verschiedenen Internetservices optimiert? Dazu schreiben manche schreiben Blogs, und lassen sich von den Rückmeldungen zu neuen Gedanken inspirieren. Betrachtet man diese Entwicklungen, dann lässt sich nur feststellen, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem die digitale Selbstbestimmung die zentrale Rolle spielen muss.
Derzeit verschiebt sich das Internet zu einer Sammelstelle für Menschen mit gleichen Interessen. Die Zeit des „freien Herumsurfens“ ist vorbei. Wir befinden uns in einem zentralisierten Internet, wir bewegen uns immer mehr in geschlossenen Systemen. Apple wird zu einer immer größer werdenden eigenen Galaxie innerhalb des Universums Internet – einem wohlgemerkt geschlossenen System, das seine eigenen Spielregeln hat. Facebook ist ebenfalls ein geschlossenes System. Wenn man die marktbeherrschende Rolle von Google im Suchmaschinenbereich sieht, dann haben wir auch hier ein geschlossenes System, dessen Spielregeln sich nicht an den Bedürfnissen der Nutzer, sondern an der Strategie des Konzerns Google orientieren.
Aber – und das ist ein ganz eigenes Phänomen – es funktioniert! Der Komfort, den wir genießen und unser digitaler Lifestyle lässt uns in die Falle tappen, dass wir wenigen digitalen Supermächten unsere Daten und unsere Zeit kostenlos zur Verfügung (zur Vermarktung) stellen. Das Wort kostenlos bezieht sich hierbei nicht auf die gesellschaftlichen und persönlichen Vorteile, sondern darauf, dass wir einer digitalen Supermacht kostbare Energie und Zeit schenken und dabei nicht vergessen dürfen, dass wir Botschaften senden, die einen Wert haben!
Haben wir uns nun im Internet eine Reputation aufgebaut, dann können wir unsere Meinung über die verschiedensten Medien verbreiten. Wenn wir ein Produkt empfehlen, und mehr als 2000 Menschen lesen diese Nachricht, dann hat es für das Unternehmen, das dieses Produkt herstellt, einen Wert, die Marke steigt im Wert. Mein Lohn als Person, die dieses Produkt empfiehlt, sind vielleicht einige Kommentare. Da stellt sich doch die Frage, ob die Anerkennung durch wenige Kommentare ausreicht?
Aber gehen wir einmal einen Schritt zurück. Was passiert denn derzeit im Markt mit Marken? Und insbesondere: Wie sieht es mit der Bewertung von Marketingmaßnahmen im Internet aus?
Zum Beispiel: OREO - http://www.facebook.com/oreo
Bei 16.300.000 Fans bewerten derzeit nur bis zu 0,003 % die Feeds von Oreo. Was bedeutet das genau? Sind die restlichen 99,997 % der Leute nicht interessiert mit der Marke zu interagieren? Was genau ist der Maßstab, mit dem man eine Marke bewerten kann? Ist es ausreichend, die Bewertungskriterien aus der klassischen Print- und Fernseh-Werbung eins zu eins auf das Internet zu übertragen?
Ein anderes Beispiel ist der Like-Button. Vielleicht haben wir den Like-Button den Menschen nicht gut genug erklärt. Wenn wir etwas „liken“ bedeutet das für die Marke, dass die Nachrichten, die versendet werden, gelesen werden. Genauer gesagt „gelesen werden sollten“, denn nicht alle Informationen haben den gleichen Stellenwert. Ich zum Beispiel habe zwei Feeds in meiner Timeline: Feeds, die mich interessieren und Feeds, die von außen zu mir kommen. Auch dort kann man Personen oder Marken komplett aus der Kommunikation ausschließen, ohne jedoch den Like-Button zu deaktivieren.
Wenn man also eine Interaktionsrate von mehr als 0,2 % verzeichnet - ist das schon sehr gut? Ich weiß es nicht. Ich finde nicht!
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3 Kommentare
Mit den Interest Lists ist es nun auch nicht mehr notwendig, die Facebook Page eines Unternehmens zu "liken" um über Updates auf dem Laufenden zu bleiben.
Eine Funktion, auf die ich als Facebook Nutzer schon lange gewartet habe, da Beiträge, die wirklich interessant gewesen wären, im Nirvana meines Newsfeeds verschwanden.
Da gibt's - zumindest im browserbasierten Web - ne ganz einfache Lösung für mich: http://www.adblockplus.org und das Internet ist wieder so wie es sein sollte.