Social Media: Können Worte im Netz unsere stärkste Waffe sein?

Täglich werden zahlreiche Beiträge, Tweets und Postings von uns im Netz veröffentlicht. Jeder von uns ist individuell und einzigartig. Und unter ihnen finden sich Worte wieder, die stärker sind als es je eine Waffe sein wird. Welche Kraft haben sie und was lösen Worte in Social Media aus?

Als „eine Kämpferin der Worte“ bezeichnete sie die Presse. „Kinder müssten die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen, und müssten vor Ausbeutung geschützt werden (…) Durch ihren heroischen Kampf ist sie zu einer führenden Fürsprecherin für das Recht von Mädchen auf Bildung geworden“, begründete das Nobelkomitee in Oslo bei der Verleihung des Friedensnobelpreises. Die Pakistanerin Malala Yousafzai wurde im Oktober 2014 mit diesem Preis ausgezeichnet. Mit 17 Jahren ist sie die jüngste Preisträgerin der Geschichte.
Malala Yousafzai bei Barack Obama (Quelle Wikipedia)

Wie Malala ihren Kampf gegen Unterdrückung im Netz publik macht

Doch ihr Kampf fängt schon viel früher an. Um sich gegen die Unterdrückung junger Menschen zu wehren, nutzt Malala die digitalen Medien. Im Alter von 12 Jahren bloggt sie über die Gewalt in Pakistan, über den alltäglichen Terror unter dem Regime, über ihren Wunsch, die Schule besuchen zu wollen und ihren Willen, sich den Verboten zur Wehr zu setzen: "Morgen früh gehe ich wieder zur Schule", beginnt sie ihren Blog.

Die Schülerin schreibt für den urdu-sprachigen Dienst der britischen BBC – eine Chance, die Malalas Vater selbst ermöglicht. Als Direktor einer Mädchenschule in Pakistan sollte er der BBC eine Schülerin vermitteln, die über das Leben unter dem Taliban-Regime berichtete und er schlug seine eigene Tochter vor. Malalas Blog gilt zu dieser Zeit als sehr seltener Augenzeugenbericht der pakistanischen Region. Ihre Einträge werden von Hunderttausenden gelesen. Mit 15 Jahren wird Malala Opfer eines Attentats, bei dem Taliban einen Schulbus stürmen und Malala direkt in den Kopf schießen. Doch Malala überlebt: Als Mensch, denn sie kann sich von den schweren Verletzungen erholen und als geborene Kämpferin, denn sie sagt von sich selbst, noch stärker geworden zu sein und sich niemals geschlagen geben zu wollen. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Großbritannien.

Malala ist wohl eines der eindrücklichsten Beispiele, wie stark und weitreichend der Einfluss der heutigen Medienkanäle sein kann. Auch wenn ihr Engagement in ihrer Heimat nicht einheitlich gewürdigt wird, sie sogar als Propaganda-Instrument der westlichen Welt bezeichnet wird, im Westen wird Malala Yousafzai verehrt. Sie hat mit ihrem Mut überzeugt: "Malala hat nicht nur für ihr eigenes Recht auf Schulbesuch gekämpft, sondern sie hat auch andere Mädchen ermutigt, zur Schule zu gehen, in einem Land, in dem viele Erwachsene nicht diesen Mut haben", sagt der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Ihr Satz “Wieso ist es so leicht Waffen zu geben, aber so schwer, Bücher zu geben? Wieso ist es so einfach Panzer zu bauen, aber so schwer Schulen zu errichten?“ ist legendär und trifft es auf den Punkt. Malalas Blog ist ein emotionaler, authentischer und realer Bericht, der uns für die Ungerechtigkeiten dieser Welt die Augen öffnet, uns teilhaben lässt, das Leben und das Leid anderer Menschen nahebringt und dazu aufruft, sich für die Unterdrückten stark zu machen. Gerade in Zeiten großer politischer Unruhe spielen Social-Media-Kanäle für die Betroffenen eine ganz wesentliche Rolle: Bekannt sind in diesem Zusammenhang besonders die Bewegungen im Rahmen des Arabischen Frühlings, bei denen soziale Netzwerke, Foren und Blogs die Umbrüche befeuerten.

Der Aufstand in Ägypten (Tahrir 2011) oder die Jasmin-Revolution in Tunesien sind Beispiele dafür, dass digitale Medien neue Möglichkeiten schaffen, den friedlichen Protest der Bevölkerung zu formen, zu unterstützen und zu vergrößern.

Erst die Kombination von traditionellen Medien und neuen Kanälen bringt die Potentialentfaltung der Medien.

Facebook galt dort als wichtigstes Mittel, die Menschen überhaupt zu mobilisieren, Twitter und YouTube verbreiteten weltweit Bilder und Videos über die Massenproteste. Letztlich war dann vor allem die Kombination von traditionellen Medien und neuen Kanälen ausschlaggebend für die Umbrüche: „Das Zusammenspiel von TV, Internet und Mobiltelefonen veränderte die politische Kommunikation grundlegend und machte somit die Umstürze erst möglich.“

Digitale Medien, Social Media und ihre Wirkung auf die Menschheit

Die digitalen Medien dienen dem Wissensaustausch, sie helfen, Menschen aufzuklären, Widerstand zu organisieren, Unterstützung zu finden. Dadurch vermitteln sie das mächtige Gefühl der Gemeinsamkeit im Kampf für die Gerechtigkeit. Der Rolle der Social-Media-Kanäle beim Arabischen Frühling wird teilweise sogar so große Bedeutung beigemessen, dass sie im Ausdruck „Facebook-Revolution“ symbolisiert werden soll. Doch diese Bezeichnung verklärt den wichtigen Umstand, dass es sich bei den Aufständen um echte, sehr ernsthafte, politische Ziele handelte und die Revolution letztlich ja nicht im virtuellen Raum, sondern auf der Straße stattgefunden hat. Eine Revolution, die viele Todesopfer verursachte.

Doch die große Wirkung der digitalen Medien zeigt sich auch in der Zensur dieser Informationsquellen. Wenn bestimmte Facebook-Seiten gesperrt werden, YouTube-Kanäle nicht abrufbar sind und damit wesentliche Internet-Inhalte einfach nicht existieren – weil sie der Ideologie der Machthaber missfallen und das Recht auf Bildung den Menschen genommen wird, ist das ein enormer Eingriff in das demokratische Grundverständnis unserer Gesellschaft, denn Meinungsfreiheit, Pressefreiheit – all diese Dinge gehören zu unseren Grundrechten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Social-Media-Kanäle immer nur für friedliche, demokratische Zwecke eingesetzt werden. Sie können auch gleichzeitig als Mittel der staatlichen Propaganda, für Desinformations-Kampagnen und zur Identifizierung Oppositioneller missbraucht werden. Oder sie dienen der Auslebung radikaler Gedanken, der Veröffentlichung diskriminierender oder rassistischer Inhalte oder sogar der Volksverhetzung. Die digitalen Medien wurden nun auch als politisches Instrument erkannt und werden entsprechend der jeweiligen Ziele von beiden Seiten eingesetzt.

Doch es müssen nicht immer nur die großen politischen Meldungen über die sozialen Netzwerke und Medienkanäle sein, die gleich die ganze Welt bewegen. Manchmal sind es auch die kleinen, eher zufällig getroffenen Aussagen - tatsächlich aus dem Leben gegriffen - die trotzdem große Wellen schlagen.

Ein einziger Tweet hinterfragt ein in die Jahre gekommenes System

„Vom Leben null Ahnung“, twittert eine Schülerin aus Köln im Januar 2015. "Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen."

Mit diesen Aussagen trifft die Schülerin einen Nerv in Deutschland, der immer aktuell und immer akut ist. Denn es geht um Allgemeinbildung, das Schulsystem, Verantwortung von Lehrern und Eltern. Mit ihren Äußerungen werden Diskussionen angeregt; die Reaktionen reichen von starkem Zuspruch bis hin zu Aufregung und Ablehnung. Andere zukünftige Abiturienten melden sich zu Wort und verteidigen die Schule als ein Ort, der Allgemeinbildung und Grundlagen vermitteln soll, bestimmte Dinge der Schüler jedoch selbst lernen und im Leben erfahren kann. Die Twitter-Meldung ist nicht mehr als ein Kommentar einer Schülerin, die ihrem persönlichen Frust in diesem Moment Platz machen wollte. Deshalb muss er nicht eingehend analysiert und bewertet werden. Doch wichtig ist, dass Gespräche zu diesem Thema überhaupt stattfinden und eine neue Auseinandersetzung angeregt wurde. Diese Essenz wird auch in der Äußerung der Schuldirektorin Monika Burbaum deutlich, die sich zu den Tweets ihrer Schülerin äußerte: "Wenn wir als Schule junge Menschen dazu befähigen, dass sie eine solch wichtige Diskussion entfachen, haben wir zentrale Erziehungsziele erreicht."

Sind Postings, Tweets und Blog-Einträge die Lösung aller Probleme?

Die Beteiligung ist hoch, die Meldungen verschieden und die Möglichkeiten enorm. Und egal, ob es sich um Tweets von Astronaut Alexander Gerst handelt, die eindrucksvolle Bilder aus dem Weltall lieferten oder um Kampagnen wie „Soziale Netzwerke gegen Nazis“, die sich gegen jegliche Art von Diskriminierung im Web 2.0 einsetzen – Social-Media-Kanäle bewegen, provozieren und regen zum Nachdenken und zum Austausch an. Sie lösen keine Probleme und verhindern keine Ungerechtigkeiten, aber sie mobilisieren Massen, schaffen Aufmerksamkeit, sorgen für Schlagzeilen weltweit und decken bisher unbekannte Einzelschicksale auf.

Sie stehen für die wichtigste Waffe, die wir haben: Das Wissen, unsere Sprache und unsere Finger. Redet, Tweetet und werdet laut.

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2 Kommentare

  • Lustig, genau das, was ich beim Lesen im Kopf bei mir ansammelt, steht am Ende als Quintessenz auch da: "Sie lösen keine Probleme und verhindern keine Ungerechtigkeiten, aber sie mobilisieren Massen, schaffen Aufmerksamkeit, sorgen für Schlagzeilen weltweit und decken bisher unbekannte Einzelschicksale auf." - Alles was nach dem "aber" steht. kann man ersetzen mit "sie sind mediale Ereignisse und ziehen mediale Ereignisse nach." Sie lösen keine Probleme und verhindern keine Ungerechtigkeiten. Überspitzt. 😉

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