Arbeit und damit ist auch New Work lebensnotwendig. Nicht nur, weil sie als Erwerbsquelle unsere täglichen Bedürfnisse befriedigt, sondern auch, weil Arbeit die Grundlagen zum Leben herstellt. Arbeit erzeugt erst den gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem wir leben. Selten wird die Arbeit zur Berufung.
Damit Arbeit das auch in Zukunft leisten kann, bedarf es einer Analyse, woher das aktuelle Verständnis von Arbeit kommt und was es zu einem guten Leben braucht. Werden Arbeit und Leben nicht mehr länger als Gegensätze begriffen, sondern - wie in der New Work Bewegung - als zwei Bereiche, die sich gegenseitig bedingen und durchdringen, dann werden die Bereiche füreinander geöffnet. Die Bedürfnisse einer durch digitale Techniken und digitale Medien veränderten Lebenswelt werden in die moderne Arbeitswelt integriert.
Die ersten Arbeiter waren Angehörige der Armee
Die fast für selbstverständlich genommene Trennung von Arbeit und Leben wird mit dem Aufstieg der Städte im 19. Jahrhundert in Verbindung gebracht. Die Massenproduktion der alltäglichen Dinge ermöglichte es, dass die bis dahin üblichen Großfamilien, die sich selbst versorgten, von Kleinfamilien mit einem Alleinversorger, der zur täglichen Arbeit ging, abgelöst wurden.
Tatsächlich hat die Massenproduktion als solche jedoch keine bürgerlichen Wurzeln, wie es der dafür gebräuchlich Begriff des Fordismus nahelegt. In Wirklichkeit entstand sie bereits in den französischen Militärarsenalen des 18. Jahrhunderts und wurde dann als Praxis in den entsprechenden amerikanischen Einrichtungen des 19. Jahrhunderts institutionalisiert.
Die ersten massenproduzierten Objekte waren Feuerwaffen mit austauschbaren Teilen. Die ersten Arbeiter im modernen Sinne waren Angehörige der Armee. Erst von dort wanderte die Produktion in den zivilen Bereich. Es etablierten sich Arbeitsteilung, Spezialisierung, Befehlsstrukturen und kämpferisches Vokabular wie die „feindliche Übernahme“ bei Firmenkäufen oder die „Rekrutierung von Arbeitskräften“. Der bisweilen strenge Habitus der Geschäftswelt und die straffen Hierarchien finden so ihre geschichtliche Erklärung.
Legt man auf diese Weise den Ursprung des modernen Arbeitsbegriffs frei, wird deutlich, wie wenig er mit den gegenwärtigen Anforderungen zu tun hat - und wie wenig zukunftsfähig die damit verbundene Arbeits- und Lebenspraxis ist.
Die Arbeitswelt ist unsere eigentliche konservative Instanz
Besonders in liberalen, weltoffenen Städten - wie Köln es beispielhaft vor Augen führt - ist die Bandbreite an Lebens- und Partnerschaftsmodellen enorm. Und auch die Akzeptanz unterschiedlichster Familienmodelle ist in der Gesamtgesellschaft überwältigend hoch. Die Befürwortung dieser Vielfalt verdeutlicht, wie sehr der Wandel der Lebensgewohnheiten in der Gesellschaft angekommen ist.
All diesen verschiedenen Formen des Zusammenseins steht jedoch eine, in der Regel sehr eingeschränkte Varietät von Arbeitsmodellen gegenüber. Und so erscheint die Arbeitswelt momentan als die eigentliche konservative Instanz, in der die modere Lebenswelt noch nicht vollständig abgebildet wird. Will man auch hier der obsoleten Trennung von Arbeit und Leben Rechnung tragen, stellt eine Neuausrichtung von Berufsbildern einen ersten konkreten Schritt in die Richtung von Angleichung der Arbeits- an die Lebenswelt dar.
Individuelle Talente bleiben aus der Arbeitswelt systematisch ausgeschlossen
Die moderne Arbeitswelt hat den hohen Spezialisierungsgrad von Tätigkeiten in genau definierte Berufsbilder übersetzt. Der Beruf avancierte mit der Zeit zum identitätsstiftenden Merkmal schlechthin und prägte Biographien oft mehr und dauerhafter als andere Lebensereignisse. Diese überdurchschnittliche Bedeutung bringt jedoch mit sich, dass jemand, der einmal Ingenieur, Manager oder Coach ist, dies in der Regel auch für den Rest seines Lebens bleibt. Zudem werden Lebensläufe, die besonders geradlinig und zielgerichtet verlaufen, bei der Einstellung gegenüber unstetigen Lebensverläufen bevorzugt.
Die Kehrseite der Spezialisierung und Festschreibung von Berufsbildern ist, dass Berufsträger auf neue Entwicklungen und Erfordernisse weniger schnell und flexibel reagieren können. In der Technologiebranche hat sich diese Erkenntnis als Erstes durchgesetzt, denn hier ist der Takt, in dem neue Ideen entstehen, besonders hoch. Hier gilt es, schnell zu sein.
Durch die normierten und engmaschigen Fähigkeitskataloge der traditionellen Berufsbilder bleiben außerdem die individuellen Talente und Interessengebiete, die jeder Mensch leidenschaftlich verfolgt, aus der Arbeitswelt systematisch ausgeschlossen - der Beruf dient als Befähigung zur „bloßen Mitarbeit“.
Dabei wirkt das Internet, auch was den Wissenserwerb, den Wissenstransfer und die Wissenserweiterung betrifft, als Verstärker. Es war nie so leicht, an Bildung teilzuhaben. Innovation und Kreativität werden fast von selbst freigesetzt, wenn man jenseits der Kategorien Beruf und Arbeit die Lebensarbeit zwischen „Berufung“ und „Lebenswerk“ begreift. So wird man zum „Lebensarbeitskünstler“.
Das Wissen der Generation Y beherbergt ein unschätzbares Potential
Die Fähigkeiten und das Wissen der Digital Natives und der sogenannten Generation Y gehören weder zum Schulstoff noch wurden sie außerschulisch zertifiziert. Dennoch liegt genau hier ein unschätzbares Potential, das Arbeitgebern verloren geht, wenn sie zu sehr in den Grenzen der alten Berufsbilder denken. Talente werden spielerisch und ganz nebenbei entwickelt und beherbergen, seitdem die digitalen Techniken und Medien unsere ganze Wirklichkeit durchdrungen haben, neue Berufs- und Arbeitsfelder, deren Experten bereits in den Startlöchern warten.
Dieser Befund erfordert auch ein Umdenken bei der Ausbildung. Wir befinden uns in der einmaligen Situation, dass eine ganze Generation über mehr Fachwissen verfügt als ihre Lehrer und Professoren. Letztere können genauso vom Wissen und den Erfahrungen der jungen Generation profitieren wie anders herum.
Die Voraussetzung dafür, dass beide Gruppen voneinander lernen, besteht darin, von den alten Hierarchien Abschied zu nehmen, welche Belehrungen nur in eine Richtung zulassen anstatt Fachwissen unabhängig von Kategorien wie Alter und Status zu vernetzen. Prallen in dieser Konstellation bereits Generationen und Instanzen aufeinander, so stellt das Gegensatzpaar vom anonymen Unternehmen und sichtbaren Individuum eine weitere Schaltstelle für kommende Veränderungen dar.
Die Arbeit der Zukunft im New Work Blog
Der Schwenk von Corporate Identity zu Social Trademark zeigt bereits, wie der „Mensch mehr ins Zentrum der Arbeit rückt“. Und auch Konzepte wie Home Office, Remote Work, Vertrauensarbeit oder Job-Sharing veranschaulichen die Einsicht, dass zufriedene Mitarbeiter, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, motivierter und produktiver arbeiten.
New Work und die Arbeitswelt 4.0 bieten uns künftig mehr Freiräume für Kreativität und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Um diese neue „Handlungsfreiheit“ nutzen zu können, benötigen wir viel Innovationskraft, neue Ideen und mutige Experimente. Diesen widmet sich ab sofort der New Work Blog, der den Wandel von einer Industrie- zur Wissensgesellschaft aktiv begleitet und immer wieder die Frage stellt: Wie sieht Arbeit in Zukunft aus?