Eifersucht ist so alt wie die Menschheit selbst. Digitale Eifersucht nicht. Im Nibelungenlied setzt Kriemhild aus Eifersucht eine Spirale des Untergangs in Gang, indem sie ihre vermeintliche Nebenbuhlerin öffentlich bloßstellt. Bei Shakespeares Othello ersticht der tragische Titelheld seine Frau im Ehebett. Der Grund ist eine Eifersuchts-Intrige. Als er seinen Irrtum bemerkt, ist es zu spät und er nimmt sich selbst das Leben – der Inbegriff der typischen Shakespeare-Tragik. Derartige Inszenierungen sind Ausdruck eines der stärksten Gefühle überhaupt - und zwar nicht nur in der Literatur. Heute öffnen und teilen wir unser Leben über soziale Netzwerke und geben damit dem uralten Motiv eine neue Dimension. Was bedeutet es aber für unsere Zwischenmenschlichkeit, wenn Eifersucht digital ist?
Unser Leben ist ein offenes Buch, aber nicht jedes Kapitel gefällt unserem Partner
In Zeiten, in denen wir unser Frühstück abfotografieren und die Welt wissen lassen, auf welcher Veranstaltung wir in den nächsten Stunden zu Gast sein werden, machen wir auch unsere Bekanntschaften, Liebschaften und festen Lebensbeziehungen für andere sichtbar. Statusmeldungen sind zu öffentlichen Bekenntnissen geworden – sie sind das moderne Pendant zu einem „Ich liebe dich“- Graffiti an der Häuserwand oder einem Maibaum unter dem Schlafzimmerfenster.
Diese Öffentlichkeit von Gefühlen, ob peinlich berührend, anrührend oder ganz alltäglich, bergen das, was in der Social Media-Psychologie gerne als emotional contagion bezeichnet wird – ein Ansteckungsrisiko, dem wir als empathische Menschen unterliegen. Diese Emotionen füttern aber auch unsere Eifersucht. Denn Liebe mag zwar das einzige sein, was sich nicht verringert, je mehr wir es teilen und zulassen. Im Netz ist das (Mit)teilen dieses Gefühls aber durchaus riskant.
In seinem Kern meint das Gefühl der Eifersucht die Angst vor dem Verlust der Liebe des Partners. Diese enorme Stresssituation kann der Mensch als einziges Lebewesen durchleiden und bereits im Kleinkindalter empfinden. Dann nämlich, wenn der Verlust der mütterlichen Liebe Dreh-und Angelpunkt des eigenen Glücks oder Unglücks ist. Bereits Siegmund Freud, der Urvater der Psychoanalyse bezeichnet die Eifersucht als Affektzustand, der dem der Trauer ähnlich ist und betonte damit dessen Intensität. Eifersucht kann also ebenso intensiv wahrgenommen werden, wie der Verlust eines geliebten Menschen durch den Tod und kann den Betroffenen förmlich aus dem Leben reißen – rasend vor Wut ist er dann oftmals nicht mehr Herr seiner Sinne.
Auch der große Bruder dieses unangenehmen Gefühls bekommt darüber hinaus eine Bühne im Netz: Neid. Statt des Liebesentzugs ist das Gefühl der Missgunst weniger auf eine Person bezogen, sondern definiert sich durch ein Verlangen nach dem Besitz des anderen, welcher auch in sozialer Anerkennung bestehen kann. Das Internet bietet für beide Gefühlsrichtungen gleichermaßen Nährboden, denn soziale Netzwerke vermögen das authentische Leben des Gegenübers abzubilden.
Die tiefer sitzende gemeinsame Ursache von Neid und Eifersucht ist jedoch erwiesenermaßen das eigene Selbstwert-Defizit. Rebecca C. Cooley von der Eastern Michigan University hält in ihren Untersuchungen fest, dass außerdem die Intensität der erlebten Eifersucht von dem selbst eingeschätzten Selbstwertgefühl abhängt.
Auschecken, bis die Liebe stirbt
Je geringer das eigene Selbstwertgefühl, desto heftiger interpretieren Menschen die transparenten sozialen Netzaktivitäten des Partners. Ob Beiträge, Kommentare oder Freundschaften: Spekulationsspielraum gibt es gerade am Anfang einer Beziehung, wenn die Unsicherheit und Verlustangst besonders groß ist.
Sie lässt abstruse Fragen aufkeimen, die an eine frühe Teenie-Phase erinnern können und sich auf (noch) nicht Existierendes beziehen: Warum war er gestern zum gleichen Zeitpunkt wie seine Ex online? Ist es verdächtig, dass er in einem so kurzen Zeitraum drei ihrer Bilder geliked hat? Und mit wem tanzt er so eng umschlungen auf dem Partyfoto von vor einem halben Jahr? Kennen und liken sie sich vielleicht noch? Oder vielleicht kommentieren sie sich gegenseitig? Diese Fragen werden zu Zeitmonstern. Sie verfolgen das einzige Ziel, immer mehr negative Gefühle anzustauen.
Das Forscherteam um die Psychologin Amy Muise belegte mit einer Befragung von rund 300 Studentinnen und Studenten, dass Facebook seine Nutzer mehrdeutigen Informationen über deren Partner aussetzt, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten. Digitale Eifersucht wird somit befeuert. Diese Informationen regen zum weiteren Facebook-Gebrauch an und schaffen einen ewigen Kreislauf, der im Übrigen bei Frauen stärker ausgeprägt ist.
Ex-Partner und Avancen, die auf seiner Facebook-Pinnwand manchmal auch unabsichtlich zur Schau stehen, befeuern das Gefühl der Eifersucht auf eine neue Weise. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, gibt es inzwischen Apps wie Killswitch oder Block your Ex, welche die verflossene Beziehung mit einem Klick aus der Timeline radieren.
Eine App wie Shryne hingegen gibt die Möglichkeit, den Partner zu archivieren, alle Erinnerungen wegzusperren - eine Bereinigung der eigene Vergangenheit, die optimistisch in die Zukunft blicken lassen kann. So organisieren bereits heute Maschinen, Techniken und Algorithmen unsere Gefühle.
Jeder Kommentar kann das Gedankenkarussell anstoßen
Auch das Kennenlernen hat eine neuen Dimension erlangt. Wir sind unabhängig von glücklichen Zufällen, müssen keine Hemmschwelle übertreten, sondern können Personen sehr einfach „hinzufügen“. Unsere komplette Kommunikation ist inzwischen durch die Digitalisierung zunehmend verschriftlicht. Weltweit würden 42 Prozent der Männer und 44 Prozent der Frauen immer den schriftlichen einem persönlichen Kommunikationsweg vorziehen.
Heute teilen wir mit, an welchem Ort wir uns mit wem befinden. Verlinkungen und Kommentare geben Aufschluss über das Verhältnis von Menschen zueinander – drei Likes können zwei zu viel sein. Digitale Kommunikation bietet mehr Eifersuchtspotenzial, denn textbasierte Kommunikation liefert grundsätzlich mehr Interpretations- und Eifersuchtsspielraum. Darüber hinaus hat digitale Eifersucht eine längere Lebensdauer. Sie bleibt bestehen – in Datenbanken.
Die paraverbalen und nonverbalen Kommunikationsinhalte, gepaart mit der physischen Isolation des Nachrichtenempfängers, und die physische Abwesenheit anderer führen zur Erhöhung der so genannten privaten Selbstaufmerksamkeit des Empfängers. Der Nachrichtenempfänger konzentriert sich daher stärker auf die eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten, eigene Emotionen werden intensiver wahrgenommen.
Haben und Sein im Netz wird zum Kampf
Die Social Networks überschwemmen uns mit Informationen über unser Gegenüber und geben uns ein digitales Daten-Cluster aus Geburtstagen, Wohnorten, Fotos, Videos, Kommentaren, Links, Lieblingsmusik, beruflichem Werdegang, Lieblingsessen, Reisezielen und Beziehungsgeflechten. Mit jedem Freund summieren sich diese Informationen, die Vernetzung mit Menschen, Orten, Erlebnissen und Veranstaltungen.
Wir fühlen uns an die aufgestellte Limitierung des Oxford Professors Robin Dunbar erinnert, der eine Höchstgrenze von 150 Personen festlegte, mit denen unsere Gehirnkapazität es zu interagieren zuließe. Das Haben und Sein im Netz wird zum Kampf, bei dem die Grenzen verschwimmen, weil es immer mehr „Haben-Wollen“ und „Sein-Wollen“ gibt. Die geschieht aber oftmals ohne eine reale Grundlage, ohne einen Wert, der auch der Überprüfung in der realen Welt standhält.
Durch das Abrücken der Liebe aus der realen in die virtuelle Welt wird die Nähe von Liebenden durch Computer und Handy in das einsam Zweisame verlängert. Getippte digitale Liebesbotschaften schaffen nach Belieben Distanz oder Nähe, die dem Zeitgeist- der „Generation maybe“ entspricht, die Liebe lieber unverbindlich hält und den Beziehungsstatus „es ist kompliziert“ feiert. Diese Generation bringt den sogenannten Mingle hervor, der sich vom Matching-Markt übersättigt sieht, während zeitgleich hunderte Freundschaftsanfragen eingehen, bei denen man sich immer noch ein Hintertürchen offenhalten kann.
Das Zeitalter des Ichs entmächtigt uns des virtuellen Selbstbildes
Diese Beziehungsführung fügt sich in das Zeitalter des „Ichs“, in dem wir zwar permanent „Ich-Botschaften“ senden, aber gar nicht mehr allein für uns selbst verantwortlich sein können. Das Reputations-Management wird dadurch erschwert, dass wir nicht mehr Herr über die veröffentlichten Daten sind.
Die Verantwortung haben jetzt alle, zu denen wir in Kontakt stehen: Wer macht heute Bilder von mir und in welcher Situation, wer veröffentlicht was, mit welcher Intention? Wir können Eifersucht auslösende Informationen nicht mehr filtern, die ungewollte völlige Transparenz unseres Handelns führt zu einem praktisch endlosen „Eifersuchts-Teufelskreis“, der sich – fehlinterpretiert – aus den dauernd eingehenden Informationen über die Person speist. Was man früher einmal einfach vergessen hat, ist heute zu jeder Zeit an jedem Ort und bei jeder passenden Gelegenheit wieder herstellbar. Kurzum: Eifersucht ist reproduzierbar.
Vergessen kann eine Gnade sein - das Internet ist gnadenlos
Das Netz beschleunigt die Selbstmitteilung durch exponentielle Steigerungen der Reflexionen, die man wieder zu einem neuen Bild zusammensetzen kann. Wenn man also heute seine Botschaften richtig einsetzt, kann man es schaffen, dass diese Gehör finden und dadurch das eigene Selbstbewusstsein gestärkt wird.
Wer sich in seinem Denken und Handeln selbst wiederfindet, kann sich auch selbst lieben und ist weniger anfällig für das Gefühl der Eifersucht. Aus Othellos berühmter Eifersucht ist übrigens der anerkannte Begriff „Othello-Syndrom“ entstanden, das eine krankhafte Dimension der Eifersucht beschreibt. Eben diesen Eifersuchtswahn, der laut einer bekannten Redensart mit Eifer sucht, was Leiden schafft, gilt es heute mehr denn je zu verstehen. Eines ist meiner Meinung nach unbestreitbar: Die digitale Eifersucht ist lebendig und schiebt sich selbst zwischen engste Beziehungen. Hat sie das einmal geschafft, macht digitale Eifersucht traurig und krank.
Niemand kann uns Selbstbewusstsein einimpfen. Wir können uns selbst lediglich unserer eigenen liebenswerten und einzigartigen Persönlichkeit bewusst werden. Auch hierbei kann das Netz uns behilflich sein – wenn wir es richtig zu nutzen verstehen.