Die digitale Eifersucht

Digitale Eifersucht kann gefährliche Entwicklungen für die Partnerschaft einleiten.

Viele werden den Spruch "Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft" noch aus ihrer Jugend kennen. Jetzt hat die Eifersucht sogar das Netz erobert, sie ist "digital" geworden.

Unter digitaler Eifersucht verstehe ich die Eifersucht, die in Verbindung mit allen Aktivitäten im Netz entstehen kann, sei es durch Beiträge, Freundschaften oder nur einfache Äußerungen in den sozialen Netzwerken. Ein Beispiel: Eifersucht kann entstehen, wenn auf der Freundesliste oder auf der Timeline des Partners unbekannte Personen oder vergangene Liebschaften auftauchen. Durch die offene Struktur des Netzes wie in Facebook könnten zudem viele Informationen, wie etwa Kommentare auf der Pinnwand des Partners, falsch interpretiert werden und in der Folge zu eifersüchtigem Verhalten führen. Diese besondere Form der Eifersucht, die digitale Eifersucht, kann gefährliche Entwicklungen für die Partnerschaft einleiten, und zudem kann sie auch von Neid begleitet sein.

Der Unterschied zwischen Eifersucht und Neid ist der, dass ein eifersüchtiger Mensch Angst hat, den geliebten Menschen zu verlieren. Ein neidischer Mensch hingegen will das haben, was andere besitzen. Eifersucht zeugt nicht von Liebe, sondern von Angst vor dem Verlust der Beziehung. Und das erleben wir heute vermehrt in der digitalen Welt. Die gemeinsame Ursache für Eifersucht und Neid liegt in den meisten Fällen in einem Selbstwert-Defizit. Weil wir meist das Steigern des Selbstwertgefühl nicht gelernt haben.

Freundschaftslisten laden dazu ein die Frage zu stellen: „Warum hast Du so viele Freunde?“ Je mehr Leute sich in dem Umfeld meiner Partnerin befinden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer digitalen oder gar realen Annäherung. Noch vor wenigen Jahren hatten wir diese Möglichkeit nicht. Wir mussten entweder einen seltenen Zufall erleben, um mit jemand Interessantem alleine sprechen zu können, oder wir brauchten die Telefonnummer der Person. Heute können wir jede Person sehr einfach "hinzufügen" und ansprechen. Heute teilen wir Orte mit, an denen wir uns befinden, wir schreiben, mit wem wir da sind, und Facebook spuckt aus, was man alles noch über den Ort wissen muss, wer noch da ist, da war und andere lokale Informationen. Andere Menschen können Kommentare auf der Pinnwand unseres Partners veröffentlichen, sie verlinken: 3 Likes, 3 Kommentare und schon kann man den Verdacht haben, da entwickele sich etwas.

Der Eifersüchtige kann - Google sei Dank - nach weiteren Informationen zu der auf der Freundschaftsliste erscheinenden Person suchen. Dazu kommen noch echte Bilder, die Anlass zu Spekulationen geben können. Jede Party, jede Situation erlaubt die zweifelhafte Frage: „Läuft da was?“ Je mehr Zeit mein Partner auf Facebook und beim Austausch mit seinen Freunden und den "Freunden" verbringt, umso mehr fühlen wir uns zurückgesetzt, uninteressant oder gar abserviert. Facebook erlaubt uns, das echte Leben nachzuempfinden (hier entsteht teilweise Neid), was die Serien auf den TV-Sender niemals erreichen werden. Weil es bei Facebook echt ist. Authentisch.

Unser Leben ist öffentlich - damit müssen wir leben

Von unseren Eltern haben wir gelernt, darauf zu achten, nicht alles preiszugeben und schon gar nicht zu zeigen, was man alles erlebt. Diese Erziehung hat damals zu kleinen realen Netzwerken geführt, die das zentrale Element der Privatsphäre noch kannten.

 


Social Media überschwemmen unseren Geist mit zu vielen Informationen.


Das Netz ist genau das Gegenteil. Die Social Networks überschwemmen unseren Geist mit zu vielen Informationen. Digitale Mensch-Marken etablieren sich, mit zahlreichen persönlichen Daten: Geburtstagen, Wohnorten, Fotos, Videos, Kommentaren, Links, Lieblingsmusik, beruflichem Werdegang, bis hin zu eigentlich ganz persönlichen Ereignissen im Leben. Je mehr Freunde wir haben, desto mehr Informationen bekommen wir, desto mehr vernetzen wir Menschen, Orte, Erlebnisse und Veranstaltungen. Das Haben und Sein im Netz wird zum Krieg, bei dem die Grenzen verschwimmen, weil es immer mehr "Haben-Wollen" und "Sein-Wollen" gibt. Das aber oftmals ohne eine reale Grundlage, ohne einen echten Wert, der auch der Überprüfung in der realen Welt standhält.

 


Der Mensch wird dabei selbst zur Botschaft und zum Botschafter seiner selbst.


Die Nähe von Liebenden wird durch den Computer und das Handy ins örtlich Einsame verlängert. Getippte digitale Liebesbotschaften (z.B. per SMS) sind der Beweis für die neue digitale Einsamkeit, während zeitgleich Hunderte Botschaften von "Freunden" eingehen. Und wir erleben viele neue Formen der Botschaften. Der Mensch wird dabei selbst zur Botschaft und zum Botschafter seiner selbst. Aus ihm entsteht ein Social Trademark, der internet-normierte Mensch, der Gefahr läuft, sich selbst in ein digitales "Marken-Korsett" zu zwängen, weil er den Ansprüchen seiner Freunde, Kunden und nicht zuletzt seines Partners gerecht werden will.

Wir haben die Fähigkeit, stärkende, positive, aufbauende, spannende, selbstbewusste, reizende, liebevolle und zuversichtliche Gedanken und Gefühle zu erleben. Aber auch die Fähigkeit, negative, ängstliche, ärgerliche, schwächende und hasserfüllte Gedanken und Gefühle zu erzeugen. Je mehr man dem Partner misstraut, umso mehr wird man die Erfahrung machen, dass man anderen tatsächlich nicht trauen kann: Der Regelkreis der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.


Wir leben im Zeitalter des ICHs.


Obwohl wir im Zeitalter des "Ich" leben und ständig "Ich-Botschaften" senden, können wir gar nicht mehr allein für uns selbst verantwortlich sein. Das Reputations-Management wird immer schwieriger, weil wir nicht mehr Herr über die über uns veröffentlichten Daten sind. Die Verantwortung haben jetzt alle, zu denen wir in Kontakt stehen: Wer macht heute Bilder von mir, in welcher Situation, wer veröffentlicht was, mit welcher Intention? Wir können eifersuchtsauslösende Informationen nicht mehr filtern, die ungewollte völlige Transparenz unseres Handelns führt zu einem praktisch endlosen "Eifersuchts-Teufelskreis", der sich - missinterpretiert - aus den dauernd eingehenden Informationen über die Person speist. Die Menge der in der persönlichen Timeline verfügbaren Informationen ist fast unerschöpflich, und so wird der Suchende auch bald etwas finden, das seinen eifersüchtigen Verdacht bestärkt. Der Eifersüchtige sucht und sucht, teilweise über Monate, um ein Mal den Erfolg zu spüren, etwas entdeckt zu haben. Ein trauriges Bild.

Diese Fixierung auf die digitale Identität des Partners führt zum Kontrollverlust. Aus Liebe wird Obsession - die Obsession, die vermeintlich verlorene Kontrolle über den anderen wiederzuerlangen. Aber es geht gar nicht um die Kontrolle des anderen, es geht vielmehr um den Kontrollverlust bei einem selbst. Es geht um das eigene emotionale Wertegefüge, das aus dem Gleichgewicht geraten ist, ohne dass man selbst es gemerkt hat. Man interpretiert Dinge in den Partner, die von Misstrauen sprechen, nur weil man mit sich selbst nicht in Harmonie ist und man vergisst nichts, was die Meinung bestärkt, weil alle Informationen immer und überall greifbar sind. Was früher nur im Gedächtnis passiert ist, kann man heute multimedial jederzeit live verfolgen. Was man früher einmal einfach vergessen hat, ist heute zu jeder Zeit an jedem Ort und - besonders wichtig - bei jeder passenden Gelegenheit wieder herstellbar, um dies oder das zu "beweisen", sozusagen die reproduzierbare Eifersucht.

Vergessen kann eine Gnade sein. Das Internet kennt keine Gnade.

Ich glaube, die digitale Eifersucht bringt Neid und Eifersucht zusammen. Ein "multimediale Neid-Eifersucht"-Syndrom. Zum ersten Mal entsteht ein unbekanntes, unberechenbares, starkes, neues Gefühl, was zu Social Media Stress bis hin zum Online-Burnout führen kann. Genau hier muss sich der Mensch ändern: Wir müssen "uns selbst bewusster" werden und besonders verantwortlich leben. Dabei wird uns immer mehr bewusst, dass die zentrale Aufgabe das selbstbestimmte Leben ist.

Und dafür ist die Liebe der innerste Antrieb. Doch was ist Liebe? Ich meine, das man nur die Dinge liebt, in denen man sich selbst wiederfindet, die ein Abbild eines wesentlichen Teils unseres Selbst sind, in allen Bereichen: In Beruf, Partnerschaft, Familie und im Netz. Wenn meine Wünsche, Sehnsüchte, Verlangen und Träume von einem Menschen zurückgespiegelt werden, dann liebe ich, weil er es mir erlaubt, mich positiv zu erleben, mich angenommen, geliebt zu fühlen. Wenn ich einen Ort so schön finde, dass ich mich dort immer wieder vor meinem geistigen Auge sehe, dann liebe ich diesen Ort. Wenn ich mich in einem Beruf positiv agieren sehe, ja dann liebe ich diesen Beruf. Also muss man sich in Dingen sehen und wiederfinden, damit man lieben kann.

Glücklich sind diejenigen, die ihre Zeit so leben, dass sie sie mit wertvollen Aufgaben füllen. Diesen Wert bestimmt jeder für sich. Diese Menschen erleben positive Dinge, unerwartete Dinge, eine Welt voller Abenteuer. Diese Menschen haben es verstanden, ihre Gedanken und Taten als Botschaften richtig zu kommunizieren. Das Netz hilft dabei. Das Netz beschleunigt dieses Abenteuer durch exponentielle Steigerungen der Reflexionen (oder Affekte), auch wenn es meist nur fraktale Reflexionen sind, z.B. in einem Retweet, die man dann erst wieder zu einem ganzen Bild zusammensetzen muss. Wenn man also heute seine Botschaften richtig einsetzt, kann man es schaffen, das andere Menschen einem zuhören oder zu Hilfe kommen. So können wir auch in der digitalen Welt glücklich werden, wir werden ein glücklicher Mensch.

Dale Carnegie sagte einst: "Glück hängt nicht davon ab, wer du bist oder was du hast; es hängt nur davon ab, was du denkst." | Ich würde sagen: ... es hängt nur davon ab, was Du denkst und wie Du dann handelst.

Fazit:

  • Beende die unsinnige Suche nach Fehlern deines Partners.
  • Du bist der Schöpfer deines Lebens.
  • Du bist die Botschaft Deiner Gedanken und Taten.
  • Lebe Deine persönliche und digitale Selbstbestimmung im Netz und sei Dir dabei selbst bewusst!

 

 

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6 Kommentare

  • Gut gesehen! Eifersucht hat ihre Ursache in einem unangemessenen Besitzdenken, das mit Liebe verwechselt wird, damit aber nichts zu tun hat. Sprich, in einem defizitären Denkmuster, das darauf aufbaut, dass der Partner einem "das Glück bringt" im Gegensatz zu der gereiften Selbsterkenntnis, dass Liebe und Glück nur in mir selbst sein können.

    Dieses Versorgungs-Denkmuster führt, wie Du richtig beobachtest, zur Verlustangst: Durch Interaktion des Partners mit anderen scheint die Versorgung durch Aufmerksamkeit, und in der unmittelbaren Folge Liebe und Glück gefährdet zu werden.

    Soziale Medien begünstigen diesen Mechanismus auf dramatische Weise durch zwei Faktoren und zwar besonders dann, wenn zwischen den Partnern ein Aktivitätsgefälle bzw. eine unterschiedliche Medien-Sozialisation vorliegt.

    1. Es wird in der Regel der Umgangston und die Bedeutung der Aktivität des anderen (Kommentare, Likes, Freundschaft, etc.) auf die Realsozialisation abgebildet und damit stark in der Bedeutung überbewertet.

    2. Oft ist an der Selbstdarstellung in sozialen Medien eine mehr oder minder ausgeprägte narzisstische Störung beteiligt, die zur Suche nach Fremdbestätigung des defizitären Selbstwertempfindens in Facebook und Co. führt. Das wird vom Partner als Selbstanpreisung und Suche nach Flirts interpretiert.

    Beides aktiviert die von Dir beschriebene Spirale der selbsterfüllenden Prophezeiung aus Eifersucht und ängstlicher Beobachtung beim einen sowie, korrespondierend, Beengung und Freiheitseinschränkung mit Ausbruchstendenz beim anderen Partner.

    • Lieber Oliver, vielen Dank für Dein Kommentar. Ich gebe Dir absolut recht. Wenn man das Thema ernst nehmen möchte, kann man auch daraus ein Buch schreiben. Mein Kernaussage war ja auch: Sei Dir selbst bewusst und liebe Dich selbst. Dann wird aus Eifersucht vielleicht sogar Stolz.

  • Wenn man "Eifersucht" als das Salz in der Suppe befindet, bitte sehr. Ich wäre da wohl einer der Kandidaten von dem man sich Scheiden würde.

    Ich persönlich finde Eifersucht als ein sehr unangenehmes Gefühl das "riskante" Urinstinkte freisetzen kann. Egal wie albern man so etwas finden. Die Realität wird/kann sie einholen.

  • Eifersucht ist Mißtrauen. Sonst nichts.

    Was sonst soll man einem Wesen entgegenbringen, das zutiefst anfällig gegenüber Verführungen ist und meistens nur deshalb nicht fremdgeht, weil es keine Gelegenheit dazu hat. Und heute beschleunigt das Facebook. Da kann man noch so hoch und heilig ewige Treue schwören - es ist wider die menschliche Natur.

  • Ein Kommentar von Bernd Schmitz (Facebook):

    Ein wichtiges Thema und in meiner Wahrnehmung für mich eines der wenigen Themen die ich Anerkenne um den Ausstieg aus Social Media in Betracht zu ziehen. Es gibt wissenschaftliche Meinungen die dem Netzeffekt solche Entwicklungen als provozierend zuschreiben und damit als eine ungewollte negativ Erscheinungen auszumachen ist. Früher dachte ich noch das Social Netz nur ein Spiegel der Realität ist. Eifersucht ist Realität. Aber wir sollten uns fragen ob das Netz diese negativen Gefühle auch produziert? Ich stelle die These auf: Das Netz verstärkt Chance berechtigt oder unberechtigt Eifersüchtig zu werden. Ohne Netz gäbe es sicher weniger solcher Leidenden Menschen. Alleine wie einfach sich alte Exfreunde in Zeiten von Facebook wieder in den nahen Zugriff zu bringen! Vor-Social-Network-Zeit nur in Außnahmefällen möglich...

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