Das Ausbrennen der Influencer

Geld, Reichtum und weltweite Aufmerksamkeit durch Influencer - eine Schlagzeile, die 2010 noch ziemlich unrealistisch war.

Heute aber, im Jahr 2014, gelingt das einigen bekannten Influencern. So zeigen Namen wie Alex TV, HerrTutorial und daaruum, dass auch hierzulande Geld mit YouTube-Kanälen verdient werden kann - und das sogar lukrativ. Sie sind Vorbilder für viele, junge Menschen und schüren den Wunsch im Internet den entscheidenden Durchbruch zu schaffen, sich erfolgreich als Influencer zu etablieren und eine steile Karriere hinzulegen.

Langfristig ein Influencer sein? Das ist nicht real.

Dieser Wunsch ist gar nicht so unrealistisch, denn neue Influencer steigen nach wie vor zu Ruhm und Ehre auf. Egal ob ein viraler Hit oder jahrelange Aufbauarbeit den Star-Status begründen, der Aufstieg ins Rampenlicht ist mit den richtigen Themen auch heute noch möglich. Doch diese Entwicklung hat ihre Spuren hinterlassen und aus der Vermarktung der Influencer ein knallhartes Business gemacht - ein Business, von dem z.B. das Kölner Unternehmen Mediakraft profitiert.

Auf der Webseite von Mediakraft heißt es vollmundig: „Mediakraft Networks will die besten und kreativsten Videomacher Deutschlands dabei unterstützen, dass sie von ihrer Arbeit leben können. Wir gucken nicht auf Abo- oder Viewzahlen, sondern suchen nach kreativen und engagierten Talenten, um mit diesen zusammenzuarbeiten und sie weiterzuentwickeln.“  Eine wirklich schöne, neue Welt der Möglichkeiten, wie ich finde. Doch sie hat einen Haken: Sie ist nicht real. Warum? Weil ich hierzu meine eigenen Erfahrungen gemacht habe, die ich hier gerne mit euch teilen möchte.

Als Gründer von sevenload – einer der größten Videoplattformen zwischen 2005 und 2009 – wurden mehr als 1.000 Channels ins Leben gerufen, und es kann nachgewiesen werden, dass wir die erste Firma überhaupt waren, die eigene Kanäle für Internet-Web-TV-Stars angeboten haben. Zur damaligen Zeit wurde in Deutschland noch kein Web TV produziert, lediglich Videos, die im Internet verstreut waren. Immer wieder sind wir dabei auf junge Menschen gestoßen, die in Eigenregie und regelmäßig Content hochgeladen haben. Die Aufmerksamkeitsspanne und Klickzahlen? Nicht der Rede wert. Wir haben das Potenzial entdeckt und die noch recht jungen Talente angesprochen; sie gefragt, warum sie ihre Produktionen nicht prominent darstellen wollen – und zwar in eigenen Channels. Die Resonanz war groß und wir unterstützen sie – sei es redaktionell, finanziell oder durch die Ausstattung von Equipment. Ihr Einsatz war voller Elan, jede freie Minute wurde für Neuproduktionen investiert und die freie Kreativität genossen. Doch auch Künstler stoßen irgendwann an ihre Grenzen, können sich in ihrer Kreativität nicht mehr entfalten und sind einfach leer – leer im Kopf, leer mit ihren Ideen. Viele von ihnen machten Persönlichkeitsentwicklungen durch, haben sich, ihre Arbeit und ihr Denken neu definiert. Wenn jetzt Mediakraft daherkommt, einen Vertrag mit einem Künstler über sagen wir zwei Jahre eingeht, er sich aber neu gefunden hat, muss er sich dem Format und das, was die Zuschauer sich wünschen, fügen. Sinkende Viewzahlen wird auch Mediakraft nicht dulden. Was passiert, wenn der Künstler nun “Stopp! Bis hierhin und nicht weiter!” sagt? Ist die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung tatsächlich noch gewährleistet?

Die Traumwelt der Influencer von morgen

Aufstieg der Influencer ohne Auffangnetz

So lange die Zuschauerzahlen stimmen und die Protagonisten auf der Erfolgswelle schwimmen, mag die Unterstützung von Mediakraft sinnvoll und hilfreich sein. Doch wie sieht es aus, wenn der Erfolg ausbleibt? Selbst mit dem größten Engagement können Influencer ihre Fans nicht ewig an sich binden. Geschmäcker und Interessen verändern sich und nicht jeder wegbrechende Fan kann durch neue ersetzt werden.

YouTuber Christoph Krachten alias Clixoom ist eines der seltenen Beispiele für rechtzeitiges und konsequentes Gegensteuern. Er hat sich vom Promi-Talk ab- und wissenschaftlichen Alltagsfragen zugewandt. Seine Wandlung - oder Exit-Strategie - war riskant, hat jedoch funktioniert. Nicht zuletzt, weil Clixoom eng mit seiner Community verbunden war und ist.

Jeder sollte weitere Standbeine aufbauen & sich Exit-Strategien überlegen.

Genau diese Verbindung zur Community fehlt manchen Influencer-Größen jedoch. Mit wachsendem Erfolg verlieren sie den Kontakt zum Publikum, empfinden Kommentare und Fragen als Belastung und gehen auf Feedback nicht mehr ein. Selbst wenn sie es versuchen, kann der durch das Rampenlicht entstehende Druck schlicht zu viel sein, um ihn auf Dauer zu ertragen.

Dann ist guter Rat teuer, denn viele Influencer konzentrieren sich ganz auf ihren Kanal. Ihnen fehlen weitere Standbeine und Exit-Strategien. Schlimmer noch: Ihre starken Personenmarken werden bei einem Ausstieg zum Fluch. Der Makel des gefallenen Influencer hängt ihnen lange, sehr lange nach.

Eigenverantwortung und Markenschutz

All diese Risiken werden von Mediakraft und andern Anbietern in diesem Bereich geflissentlich ignoriert. Dort findet sich kein Wort zur Phase nach den Spitzenzeiten. Warum auch? Lässt der Erfolg nach, verlieren der Influencer auch den Support und sind nicht mehr das Problem des Unternehmens. Eine einfache Lösung. Irgendwie ein altbewehrtes Konzept, dass sich vor allem im Model-Business bis heute so eingespielt hat. Es macht also keinen Unterschied, ob Model, Sänger oder Influencer. Wenn das Aussehen, der Gesang oder die Zuschauerklicks nicht mehr stimmen, wird der "Star" aussortiert. In meiner sevenload-Zeit ist dieses Phänomen - zu meinem Bedauern - auch aufgetreten. Rückwirkend kann ich dazu nur eine Entschuldigung aussprechen.

Influencer - und solche, die es werden wollen - sollten sich allerdings mit Alternativen befassen und ihre Karriere bedacht aufbauen. Sich an einen einzigen Anbieter und Vermarkter zu binden ist beispielsweise überhaupt keine gute Idee, die Zusammenarbeit mit einem guten Manager schon eher. Dieser kann nicht nur beraten, sondern auch bei der selbstständigen Vermarktung sowie bei der Entwicklung von neuen Geschäftsideen helfen. Diese erfolgen dann unabhängig und lassen den Aufbau mehrere Standbeine zu.

Das bringt die Notwendigkeit mit sich, sich selbst in Fragen der Erst- und Zweitvermarktung fit zu machen. Auch von der technischen Gestaltung des Kanals, der optimalen Nutzung der Influencer-Statistiken oder den Influencer-Werbeformaten sollten Influencer Ahnung haben. Solche Kompetenzen lassen sich aufbauen – Google bietet größeren Kanälen inzwischen umfassende Unterstützung an – sind jedoch nur durch Zeiteinsatz und Engagement erreichbar.

Zusätzlich sollten der Aufbau der individuellen Reputation und der Schutz der Personenmarke bei der Planung eine zentrale Rolle spielen. Es erstaunt mich immer wieder, wie viele bekannte Influencer mehr oder weniger naiv und unbedarft in die Öffentlichkeit stolpern und sich nicht um den Schutz ihrer Marke scheren. Einige unter ihnen verwenden dabei noch nicht einmal ihren eigenen Namen, sondern verwenden einen ohne Sinn behafteten Nickname oder ähnliches. In meinen Augen mehr als eine unkluge Entscheidung.

Gerade sie sollten sich besonders aktiv um Reputationspflege bemühen und ihre Marke gezielt auf- und ausbauen. Nur so können sie verhindern, als reine Influencer abgestempelt und auf ihren Kanal reduziert zu werden. Wer mehr sein will, muss seine weiteren Stärken und Fähigkeiten gezielt und aktiv präsentieren und pflegen.

Ein Paradebeispiel hierfür ist das von Deutschlands bekanntesten Influencer-Blogger: Sami Slimani alias HerrTutorial. Obwohl er unter unechtem Namen Videos zu den Themen Fashion, Lifestyle und Beauty online gestellt hat, hat er durch Persönlichkeit überzeugen können und sich zur Marke gemacht. Fünf Jahre nach der Gründung seines Influencer-Channels ist er das neue Gesicht der Viva Top 100, die er seit Mai 2014 moderiert. Gebloggt und "geYouTubed" wird aber trotzdem noch.

Influencer können das Ausbrennen vermeiden, wenn sie Verantwortung für Ihre Karriere & Marke übernehmen.

Das Beispiel zeigt, dass der Aufstieg zum Influencer heute nach wie vor möglich ist - das Ausbrennen und der schmerzhafte Absturz ebenso. Dieser lässt sich jedoch vermeiden - wenn Influencer Verantwortung für Ihre Karriere und Marke übernehmen und diese aktiv schützen. Sich auf die Versprechungen einzelner Anbieter zu verlassen und Verantwortung zu delegieren ist dabei nicht zielführend. Deswegen heißt es jetzt: handeln. Denn nur wer seine eigene Marke aktiv und selbstständig pflegt und schon heute über neue Geschäftsmodelle nachdenkt, wird dem Absturz und den damit verbundenen Auswirkungen entgegenwirken.

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2 Kommentare

  • Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Du damals in 2007 einen Kommentar in meinem VideoBlog hinterlassen hast und mich dazu ermutigt hast, unbedingt mit diesem wichtigen Thema weiter zu machen. Kurze Zeit später hatte ich schon meinen eigenen Channel bei sevenload! Das war eine unglaublich coole Zeit und für die großartige Unterstützung, die mein Team und ich damals erlebt haben, sind wir heute noch dankbar. Ibo, es imponiert einem sehr, zu sehen, was Du alles (immer wieder) auf die Beine stellst.

  • Ein Beispiel stellt der Youtube-Star Ray William Johnson dar. Sein Youtube-Kanal war mit einem Abonementenzuwachs von bis zu 15.000 am Tag und einer Gesamtabonementenzahl von zehn Millionen einer der größten Youtubern weltweit. Er entschied sich für eine Umorientierung in den Bereich Film als Writer/Producer, produzierte mit "Riley Rewind" seinen eigenen Film.
    Als er deshalb Equals Three, das Hauptformat seines Kanals, einstellte, stürzten die Aufrufzahlen in kürzester Zeit ins Bodenlose. Das Resultat sind bis zu 3.000 De-Abonements pro Tag.
    Diese Kurzlebigkeit auf Youtube ist keine Seltenheit, wer es nicht schafft konstant und zu fixen Zeiten seinen Content zu veröffentlichen muss mit View-Einbrüchen und massiven Abgängen rechnen; und das innerhalb von nur wenigen Tagen.

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